Die Physik-Fachbereiche und Corona

Die Coronakrise hat massive Auswirkungen auf die Forschung und Lehre an den Physik-Fachbereichen. Zum Sommersemester 2019 musste der Lehrbetrieb spontan komplett auf online-Formate umgestellt werden. Nun muss auch im Wintersemester 2019/20 weitgehend online unterrichtet werden. Die weitere Entwicklung ist nicht absehbar – die Folgen für die Studierenden und für die Universitäten sind aber bereits jetzt schwerwiegend und weitreichend.

Eine ausführliche Analyse der Situation aus Sicht der Physik findet sich hier.

Situation der Studierenden

Manche Studierende kommen mit den coronabedingten Einschränkungen gut zurecht. Für viele ist die Situation jedoch in mehrfacher Hinsicht schwierig:
  • Schlechte Internetverbindungen, teils auch überlastete Server und Netze erschweren den Besuch von Online-Lehrveranstaltungen.
  • Nicht alle Studierenden kommen mit online-Formaten zurecht: manchen fällt es schwer, ihre Arbeitszeit zu strukturieren; ohne direkten Kontakt mit den Dozierenden und vor allem auch zu den Kommilitoninnen und Kommilitonen fehlt oft eine wichtige Motivation zum Lernen; auch die Arbeitsbelastung ist im online-Lehrbetrieb teils größer.
  • Angesichts eines reduzierten Lehrangebots fallen manche Inhalte des Studiums weg oder können nicht ausreichend vertieft werden. Besonders betroffen sind Praktika und Kleingruppenübungen.
  • Manche Studierende laufen Gefahr, sich sozial zu isolieren und zu vereinsamen.
  • Die ohnehin angespannte finanzielle Lage vieler Studierender verschärft sich, weil typische Studentenjobs wegfallen. Fast 60% der Studierenden benötigen zur Finanzierung ihres Studiums einen Nebenjob.
  • Besondere Schwierigkeiten ergeben sich für Studienanfängerinnen und -anfänger, die den normalen Universitätsbetrieb noch nicht kennen.
  • Auch ausländische Studierende sind besonders betroffen; viele sind vorzeitig in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Gleichzeitig sind Auslandsaufenthalte für deutsche Studierende derzeit schwierig.


  • Weiterführend:
    - Ernst&Young;, Studierendenstudie, Okt. 2020
    - Studieren unter Corona-Bedingungen; DZHW-Brief 5/2020
    - 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (2016)

    Herausforderungen für die Universitäten

  • Die spontane Umstellung auf online-Lehrformate war mit erheblichem Aufwand verbunden. Aber auch die Betreuung laufender online-Formate ist arbeitsintensiv. Dazu kommen vielfältige organisatorische Aufgaben, um den jeweils geltenden Corona-regeln zu entsprechen..
  • Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind unübersichtlich und ändern sich ständig.
  • Die Forschung leidet erheblich. Labore sind nur eingeschränkt zugänglich, Zeitpläne können nicht eingehalten werden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können nicht eingearbeitet werden, wissenschaftliche Gastaufenthalte sind stark eingeschränkt. Nicht zuletzt finden kaum noch wissenschaftliche Tagungen und Seminare statt.


  • Weiterführend:
    - Hochschulrektorenkonferenz (HRK): Sonderseite der mit aktuellen Hinweisen.
    - Deutscher Hochschullehrerverband: Stellungnahme des mit Forderungen zum Ausgleich coronabedingter Nachteile.
    - Mathematisch-Naturwissenschaftlicher Fakultätentag (MNFT):
    Memorandum zur Notschließung von Universitäten und Resolution zur Bedeutung der praktischen Lehre, insbesondere unter den Rahmenbedingungen der Covid19-Pandemie
    - Allgemeiner Fakultätentag (AFT): Praktische Lehre muss möglich sein. (PJ 8_9/20) Studie zum Impact von Corona (Covid-19) auf die Lehre
    - Physik-Journal der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG): Praktische Lehre muss möglich sein. (PJ 8_9/20) ; K. Sonnabend, Digital von Null auf Hundert, PJ 8_9/2020; A. Hauck, Das Sommersemester findet statt, PJ 5/2020, D. Ohse, Die Corona-Krise beeinträchtigt junge Mitglieder, PJ 5/2020.

    Online-Lehrveranstaltungen

    e-learning-Konzepte gibt es bereits seit Längerem, ebenso wie jede Hochschule über online-Lernplattformen verfügt. Dennoch war es eine gewaltige Herausforderung, dass das Sommersemester 2019 (fast) komplett im online-Betrieb durchgeführt werden musste. Dabei wurden Erfahrungen gesammelt, auf denen nun aufgebaut werden kann:
  • Zahlreiche Lehrveranstaltungen – Vorlesungen, aber auch Seminare – lassen sich relativ problemlos online durchführen.
  • Online-Lehre eröffnet andere didaktische Möglichkeiten: Veranstaltungen sind zeit- und ortsunabhängig; Aufgaben können modularisiert und personalisiert werden, etc.
  • Bestimmte Lehrveranstaltungen lassen sich online nicht sinnvoll oder nur sehr eingeschränkt durchführen; dazu zählen vor allem Praktika, die in einer experimentellen Disziplin wie der Physik unerlässlich sind.
  • Auch die Durchführung von Prüfungen ist online bisher nur eingeschränkt möglich.
  • Die Durchführung von guten online-Lehrveranstaltungen ist keinesfalls weniger aufwändig als die Durchführung guter Präsenz-Lehrveranstaltungen.
  • Nicht alle Studierenden haben die technischen Voraussetzungen (Laptop, gute Internetverbindung), um effizient online zu studieren.
  • Viele Studierende empfinden online-Formate als bequem und kommen gut damit zurecht.
  • Etwa ein Drittel der Studierenden hat dagegen Probleme, online-Formate sinnvoll zu nutzen; Grund dafür sind Motivationsschwierigkeiten, mangelnde Fähigkeiten, die Arbeit zu strukturieren oder die Aufmerksamkeit während einer online-Lehrveranstaltung aufrecht zu erhalten.

    Das Zwischenfazit fällt dementsprechend durchwachsen aus: Hochschullehre kann auf jeden Fall von der Nutzung digitaler Formate profitieren. Gleichzeitig bleibt Bildung ein sozialer Prozess, der sich nicht vollständig virtualisieren lässt, sondern der direkten Interaktion von Lernenden und Lehrenden – aber auch von Lernenden untereinander – bedarf. Für empirische Wissenschaften kommt die Notwendigkeit hinzu, selbst direkt Erfahrungen mit dem wissenschaftlichen Gegenstand zu sammeln – in der Physik geschieht dies in den Praktika.

    Weiterführend:
    - Ständiger Ausschuss aller Physikfachschaften (StAPF): Resolution zur Wiederaufnahme des Präsenz-/Hybridbetriebs an den Hochschulen ;
    - Erziehungswissenschaftlicher Fakultätentag (EWFT): Stellungnahme zur Digitalisierung der Hochschullehre) ;
    - Fakultätentag Informatik (FTI): Stellungnahme zur Digitalisierung der Hochschullehre und Positionspapier 'Digitalisierung - Informatik als Schlüsseldisziplin';
    - Im Sommer entspann sich in den Feuilletons eine Debatte über die Zukunft der Präsenzlehre. Vgl. hierzu: Offener Brief zur Verteidigung der Präsenzlehre ; Interview mit Roland Borgards ; Erwiderung von Kerstin Stüssel.
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